Der Brudermeisterstab der Marianischen Bruderschaft Kottenheim

Bereits im Jahre 1694 pilgerten einzelne Wallfahrer aus Kottenheim zum „Gnadenbild der schmerzhaften Mutter Gottes“ nach Bornhofen am Rhein. Anlass zu diesen Bittprozessionen war wohl eine Viehseuche welche Ende des 17. Jahrhunderts in der Eifel wütete.

 

Seit dem Jahr 1719 wird diese Wallfahrt dann - organisiert und geleitet durch sogenannte „Brudermeister“- mit einer großen Pilgergruppe am 07. und 08. September, dem Festtag Maria Geburt durchgeführt.


Eine kleine und für Außenstehende recht auffällige Besonderheit der Kottenheimer Wallfahrt nach Bornhofen, ist neben einem Vortragekreuz und der Pilger-Fahne der sogenannte „Brudermeisterstab“, den alle 4 aktiven Brudermeister während der Wallfahrt und in der Kirche mit sich tragen.

 

Er dient nicht nur als reine „Amts-Insignie“, sondern mit diesem Brudermeisterstab werden auch Signale innerhalb der Pilgergruppe gegeben. Der vorangehende 1. Brudermeister gibt jeweils mit einem senkrechten Anheben des Stabes das Signal zum Beten des „Vater unser“ bzw. des „Gegrüßest seist du Maria“ im Rosenkranz. Da dieses Signal von -verteilt in der Prozession mitgehenden- weiteren 3 Brudermeistern schnellstmöglich weitergegeben wird, ist ein nahezu gleichzeitiger Start der Gebete innerhalb auch einer größeren Prozession (die Chronik berichtet hier von bis zu 200 Wallfahrern in den „Glanzzeiten“) recht gut gewährleistet.

 

Schwenkt der Brudermeister den Stab 3 Mal von links nach rechts hin und her, bestimmt dies „Ehre sei dem Vater – und dem Sohn – und dem Heiligen Geist“ und beendet damit den jeweiligen Rosenkranz.

Zum Singen eines Liedes wird der Stab waagrecht über dem Kopf gehalten.

Locker über der Schulter getragen (meist bei steilen, atemraubenden Anstiegen oder gefährlicheren Gefällstrecken wie z. Bsp. in der Bopparder Himmelsleiter) ruht das Gebet.

 

Der Brudermeisterstab besteht aus einem Holzstab mit einem metallenen Aufsatz als krönende Spitze. Die Länge beträgt ca. 170 cm. Das Holz ist in der Grundfarbe „Ochsenblutrot“ lackiert und noch mit einer weißen Spirale versehen, damit der Stab auch bei etwas schlechterer Sicht besser für die Pilger erkennbar ist. Den oberen Abschluss des Holzstabes bildet eine vergoldete Holzkugel, in welche der  Aufsatz eingesteckt ist. Der Aufsatz besteht aus einer Metallscheibe in Form eines vielzackigen Sterns mit einem kleinen Kreuz an seiner höchsten Stelle. Die Vorderseite der Scheibe zeigt ein in Ölfarbe gemaltes Bild der Schmerzhaften Mutter Gottes in einem blauen Gewand, den toten Jesus auf ihrem Schoß haltend. Auf der Rückseite steht der Text „Brudermeister-Stab Cottenheim (in der alten Schreibweise wie bis um das Jahr 1900 noch üblich noch mit „C“ statt „K“). Der Rand des Sterns ist, ebenso wie die darunterliegende Holzkugel in der er befestigt ist, vergoldet.


Es handelt sich bei den aktuellen Stäben um keine historischen Stäbe, obwohl diese durchaus auf den 1. Blick so scheinen mögen. Das rührt daher, dass es sich bei den neuen Stäben um möglichst genaue Kopien der alten Stäbe handelt.  Im Jahr 1979 wurden diese durch den Brudermeister Karl-Heinz Bell komplett neu angefertigt, sind derzeit also „erst“ 35 Jahre alt.

 

Brudermeisterstäbe hat es in Kottenheim aber mit Sicherheit bereits vorher gegeben da der Brudermeisterstab als „Stecken“ bereits im Pilgerbuch aus dem Jahr 1834 zum Thema der Wahl der Brudermeister erwähnt wird. Die Anzahl der Brudermeister wurde um  das Jahr 1950 auf 3 und im Jahre 1954 endgültig auf 4 angehoben, sodass bis hin zur Nachkriegszeit allerhöchstens 2 Stäbe existierten.

 


Neben den bereits geschilderten Funktionen kommt dem Stab des 2. Brudermeisters noch eine besondere Aufgabe zu. An diesem werden bei der Rückkehr aus Bornhofen 2 Weinreben, jeweils eine rote und eine weiße, befestigt. Diese werden dann in der Prozession vom Bahnhof durch den Ort zur Kirche mitgetragen und im Abschlussgottesdienst dem Kottenheimer Pastor als Mitbringsel von der Wallfahrt an den Rhein überreicht. Alle 4 Brudermeister bewahren ihre Brudermeisterstäbe übrigens traditionsgemäß im Schlafzimmer auf. Dies soll für Kindersegen sorgen, so sagt man. Eine wirkliche Statistik über die therapeutische Wirksamkeit wurde aber bisher nicht geführt.

 

Der 4. Brudermeister wird in jedem Jahr neu gewählt, die anderen Brudermeister im Zuge dessen jeweils eine Stufe „befördert“ und der bisherige 1. Brudermeister wird zum „Alt-Brudermeister“ und scheidet damit aus dem aktiven Dienst aus. Diese Brudermeisterwahl war früher durchaus „gefürchtet“, da sie zwangsläufig die mehrjährige Verpflichtung zum Mitpilgern bei der Wallfahrt beinhaltete.  Zudem mussten bis ins Jahr 1968 alle Brudermeister mit der am Brudermeisterstab befestigten Sammeldose 3x im Jahr zu den Marienfeiertagen Marie Verkündigung, Maria Himmelfahrt und Maria Empfängnis von Tür zu Tür gehen und um Spenden für die Bruderschaft bitten. Mit einem „de Mottejottes lunnt ett“ („die Mutter Gottes lohnt es“) wurde sich bei jedem Spender bedankt. Derzeit werden dazu 4 Kollekten rund um die Marienfeiertage in der Kirche durchgeführt, die Spendendose am Stab hat ausgedient. Heute ist es daher für viele Pilger durchaus eine Ehre zum Brudermeister ernannt zu werden, eine Ablehnung des Brudermeisteramtes ist ohnehin in der Satzung auch gar nicht vorgesehen und kam gemäß den Aufzeichnungen auch wohl erst einmal vor. Dies sorgte dann auch für einige Tage Gesprächsstoff im Dorf. Die Wahl für den neuen Amtsbruder treffen die Brudermeister 2, 3 und 4 da sie am längsten mit dem „Neuen“ auskommen und die Wallfahrt gemeinsam organisieren müssen. Der 1. Brudermeister hat bei dieser Wahl nur noch beratende Funktion. Bereits die ganze Wallfahrt über wird nach geeigneten „Kandidaten“ Ausschau gehalten. Der Brudermeister sollte dabei ein katholischer, männlicher Pilger sein, möglichst verheiratet und in Kottenheim wohnend. Über einen guten Leumund sollte er ebenfalls verfügen. Zudem sollte er bereits mehrere Wallfahrten bestritten haben damit er auch seine körperliche Tauglichkeit bereits unter Beweis stellen konnte.  Auf der Schiffsüberfahrt von Boppard nach Bornhofen gehen dann die 4 Brudermeister über das Deck, halten bei dem ein oder anderen -durchaus auch geeigneten Kandidaten- auch schon mal kurz an, bis man dann letztendlich bei dem Gewählten angelangt ist. Der 1. Brudermeister übergibt dann seinen Stab unter dem Applaus der Pilger an den „Neuen“. Selbstverständlich sind die am Ufer wartenden und mit dem Auto oder per Bus angereisten Angehörigen bereits gespannt auf wen die Wahl in dem Jahr wohl gefallen ist. An seinem Brudermeisterstab ist der neue Amtsträger natürlich vom Ufer aus bereits gut auf dem Schiffsdeck zu erkennen und widmet sich nach der Ankunft gleich seiner Aufgabe, die Prozession nach hinten abzusichern damit kein Pilger auf dem Weg verlorengeht.

 

Insofern hat der Brudermeisterstab der Kottenheimer Bruderschaft vielfältigste Funktionen, welches man diesem „Holzstab“ auf den 1. Blick kaum ansehen mag.

 

Quellenverzeichnis: „Geschichte der Kottenheimer Bornhofenwallfahrt zur schmerzhaften Mutter Gottes“ Verfasst von Dr. Alexander Saftig, 3. Auflage 2006

Diverse Gespräche u.a. mit den Alt-Brudermeistern Karl-Heinz Bell, Hermann-Josef Bernert und älteren Pilgern

 

 

Start: 19.12.2015